– Young Citizen Science durch Aufbau eines Klimastationsnetzes an Schulen
Der Förderverein unterstützt die Initiative!
1. Hintergrund
Der Klimawandel zählt zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit, dem es entschlossen und nachhaltig zu begegnen gilt – nicht umsonst zählt „Klimaschutz und – anpassung“ als SDG 13 zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDG). Dabei haben die Folgen des Klimawandels auf vielfältige Weise Auswirkungen auf andere SDGs, z. B. „Leben an Land“ (SDG 15) und „Leben unter Wasser“ (SDG 14). Das Ausmaß des Klimawandels wird maßgeblich durch die Menschen selbst und damit durch die Erreichung der Ziele einer nachhaltigen Entwicklung beeinflusst, darunter „Bezahlbare und saubere Energie“ (SDG 8), „Nachhaltiger Konsum und Produktion“ (SDG 12). Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung kommt daher eine Schlüsselfunktion im Nachhaltigkeitsdiskurs zu.
Trotz der zentralen Bedeutung des Klimawandels für Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft sind seine regional differenzierten Folgen aufgrund ihrer Komplexität und häufig nicht unmittelbaren Sichtbarkeit oft wenig greifbar und verständlich. Aus einer eigenen Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums wird deutlich, dass das Thema Klimawandel in den Bildungsplänen nach wie vor unterrepräsentiert ist. Dabei kommt einer systematischen, interdisziplinären sowie problem- und handlungsorientierten Auseinandersetzung mit Fragen des Klimawandels im eigenen Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen eine zentrale Bedeutung zu, um frühzeitig Wissen, Motivation und Handlungsbereitschaft in Bezug auf Fragen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung zu fördern und dem Klimawandel so nachhaltig begegnen zu können. Aktuelle Jugendstudien (z. B. Shell-Jugendstudie 2019) und die Fridays for Future-Bewegung zeigen, wie sehr sich Jugendliche bereits heute für Fragen des Klimaschutzes interessieren und engagieren. Dieses Potenzial soll durch das Projekt weiter gefördert und die Entwicklung und Umsetzung konkreter, nachhaltiger Handlungsoptionen angeregt werden, bei denen die Jugendlichen als „Change Agents“ aktiv mitwirken können.
2. Systematische Auseinandersetzung mit dem Klimawandel im Rahmen eines Klimastationsnetzes an Schulen
Grundlage für eine solche aktive Auseinandersetzung mit Fragen des Klimawandels sind wissenschaftliche Fakten. Dabei stellen Klimamessungen die zentrale Grundlage der Analyse bisherigen Klimaveränderungen und den verschiedenen Klimaszenarien für die Zukunft dar. Wie aber werden Klimadaten wissenschaftlich exakt und vergleichbar erfasst? Wie werden sie analysiert und vor allem: Welche Aussagen lassen sich aus Klimamessungen für die lokalen Klimabedingungen und deren Veränderung konkret vor Ort ableiten? Durch den zum Teil drastischen Abbau der Klimamessnetze seit den 1980er-Jahren stehen hierfür weltweit und auch in Deutschland immer weniger Messstationen zu Verfügung, die auch durch moderne Satellitentechnik nur bedingt
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kompensiert werden können. Belastbare Messwerte sind jedoch notwendig, insbesondere, wenn auch Klimaveränderungen auf regionaler und lokaler Ebene abgebildet werden sollen.
Vor diesem Hintergrund kommt dem Aufbau eines Klimastationsnetzes an Schulen eine mehrfache didaktische, wissenschaftspropädeutische und fachliche Bedeutung zu:
- Die aktive Auseinandersetzung mit „eigenen“ Klimadaten fördert Wissen und Verständnis für klimarelevante Fragen und schafft einen motivierenden persönlichen Lebensweltbezug für die Jugendlichen. So werden ihre Handlungsbereitschaft für nachhaltigen Klimaschutz und -anpassung sowie ihre Kompetenzen im Umgang mit Unsicherheiten wissenschaftlicher Erkenntnisse und „Risiken“ der darauf basierenden Handlungsentscheidungen und mit Zielkonflikten (Ambiguitätstoleranz) gefördert.
- Das Erkennen der regionalen Besonderheiten des Klimas, dessen Veränderung in einem globalen Kontext und daraus resultierende lokale Folgen für unterschiedliche Bereiche (Land-/ Forstwirtschaft, naturnahe Ökosysteme, urbaner Lebensraum, Wirtschaft etc.) schult die Schülerinnen und Schüler in systemischem Denken und trägt so maßgeblich zur Bildung für nachhaltige Entwicklung bei.
- Die Generierung von wissenschaftlich exakten und vergleichbaren Klimadaten und deren Austausch in einem nationalen und globalen Netzwerk an Schulen trägt im Sinne eines Citizen Science-Ansatzes unmittelbar zur Klimaforschung bei und fördert bei den Jugendlichen ein Wissenschaftsverständnis, den kritischen Umgang mit Daten sowie den internationalen fachlichen Austausch und Dialog zu Klimafragen u. a. mit Partnerschulen im Ausland.
Aufgrund der vielfältigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekte des Klimawandels lassen sich Klimaschutz und Klimaanpassung fächerübergreifend ansprechen und im Sinne der BNE und eines ganzheitlichen Lernens verknüpfen. Neben der Geographie als „Zentrierungs- und Brückenfach“ zu Fragen des Klimawandels insbesondere im MINT-Bereich wie in der Biologie (u. a. verändertes Pflanzenwachstum, Klimaeinfluss auf den Menschen), Physik (u. a. Prinzip des Treibhauseffekts, Sensormesstechnik), Chemie (u. a. veränderter Kohlenstoff- und sonstiger Kreisläufe) und Informatik (u. a. Verarbeitung von Daten). Aber auch die sozialwissenschaftlichen Fächer wie Politik/Gemeinschaftskunde (u. a. politische Entscheidungsfindung, Planungsprozesse), Geschichte (u. a. industrielle Entwicklung) oder Deutsch, Sprachen und Kunst lassen sich in ein solches Projekt integrieren sowie in unterschiedlichen Formaten umsetzen.
3. Die Klimastation
Grundlage für die Auseinandersetzung mit Klimafragen ist der Aufbau eines Klimastationsnetzwerks an Schulen auf der Basis professioneller Messtechnik und mit vergleichbaren Messbedingungen, die internationalen Standards der World Meteorological Organisation (WMO) entsprechen. Durch eine Kooperation mit der Firma Thies, einem der führenden Hersteller von Klimamessgeräten, können entsprechende Klimastationen erworben werden, die speziell für das Netzwerk an Schulen zusammengestellt wurden. Die Klimastation besteht im Kern aus einem sogenannten Datalogger, in dem die Daten der verschiedenen Sensoren erfasst, verarbeitet und gespeichert werden. In der Basisausführung umfasst die Klimastation Sensoren zur Messung der Temperatur, relativen Luftfeuchtigkeit, Niederschlag, Luftdruck sowie Windrichtung und -geschwindigkeit. Diese Basisausführung der Klimastation kostet etwa 6.000 €. In einer erweiterten, kostenintensiveren Version können Sensoren zur Messung der Sonnenenergie, der Erdoberflächentemperatur, von CO2 und weitere ergänzt werden – bis zu zehn unterschiedliche Parameter lassen sich so erfassen.
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Abb. 2: Schematischer Aufbau einer Schulklimastation nach WMO-Standard und Foto einer Vergleichsstation.
Die über den Server der Abteilung Geographie – Research Group for Earth Observation (rgeo) und des dort angesiedelten UNESCO-Lehrstuhls werden die Daten der Stationen mit einer speziellen Software automatisiert alle ca. 10 Minuten abgerufen und über eine webbasierte Datenbank „live“ bereitgestellt und visualisiert. Die Schulen können die Daten ihrer eigenen Station entweder vor Ort auslesen oder aber ihre eigenen und die Daten aller anderen Klimastationen des Netzwerks – sozusagen in Echtzeit – über die Datenbank einsehen, herunterladen und analysieren. Auf diese Weise können die Jugendlichen Wettererscheinungen und Klima(veränderungen) an unterschiedlichen Orten miteinander vergleichen, dazu mit anderen Schulen in Kontakt treten und sich über Fragen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung austauschen. Dazu stellt die Abteilung Geographie – rgeo zusätzlich auch Daten ihrer eigenen Klimamessstationen im Rahmen von internationalen Forschungsprojekten wie in der Atacama-Wüste und in Patagonien zur Verfügung.
Daneben bilden die kontinuierlichen Messungen eine wichtige Grundlage für Klimazeitreihen an den einzelnen Schulstandorten, aus denen auf längere Sicht Klimaveränderungen sichtbar werden. Die im kommenden Jahr beginnende neue internationale WMO-Standardperiode für Klimamessungen 2021-2050, die wie die Daten der früheren Standardperioden zentrale Grundlage der zukünftigen Klimaforschung sein werden, bildet einen idealen Startpunkt für den Aufbau des Klimastationsnetzes an Schulen, deren Daten so im Sinne eines Citizen Science-Ansatzes auch für wissenschaftliche Fragestellungen mit Bezug zum Klima genutzt werden können – durch die Jugendlichen selbst, die Wissenschaft, idealerweise aber im gegenseitigen Austausch. Hierzu zählen Aspekte wie etwa die Beurteilung eines Standorts zur Nutzung erneuerbarer Energie, bioklimatische Fragen, Wachstumsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft und deren Veränderungen oder Hochwassergefahr.
4. Standortbedingungen
Um den qualitativen Ansprüchen an die Messungen und die dauerhafte Mitwirkung im Projekt sichern zu können, sollten von Seiten der interessierten Schulen folgende Punkte erfüllt sein:
1. Ein geeignetes Gelände, das den Standards der WMO bzw. des Deutschen Wetterdienstes an die Einrichtung von Klimastationen (weitgehend) entspricht: Ebene Rasen-/Grasfläche von ca. 10 x 10 m, das im Umkreis keine größeren Hindernisse (Gebäude, Vegetation) aufweist (mindestens im 45°-Winkel um den Standort kein Hindernis, idealerweise im Umkreis von 20 m kein Hindernis höher als 2-3 m). Im Einzelfall kann auch ein begrüntes Flachdach genutzt werden – aus
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sicherheits- und standardisierungsgründen aber deutlich weniger geeignet. Alternativ kann ggf. auch ein geeigneter Standort außerhalb des Schulgeländes gesucht werden (z. B. Park, Schrebergärten, Stadtrand), der z. B. mit Unterstützung der Gemeinde gefunden werden kann.
- Strom- und möglichst Internet- bzw. W-Lan-Anschluss. Alternativ können die Daten auch über ein vorhandenes Mobilfunknetz abgerufen werden (Kosten ca. 60 €/Jahr). Sollte keine Stromversorgung vorhanden sein, kann die Station über ein Solarpanel betrieben werden, was deren Kosten aber um ca. 900 € erhöht.
- Umsetzung der nötigen technischen Vorbereitung zur Einrichtung der Klimastation vor Ort: Installation eines ca. 3 m langen (für Hauptstation) und eines ca. 1,5 m langen (für Niederschlagsmesser) Zink- oder Aluminiumrohres sowie der Strom- und ggf. Internetleitung. Die entsprechenden Rohre können – in Absprache mit dem Schulträger auch in Hinblick auf die technische Eignung des Geländes (z.B. Strom-/Gasleitungen im Untergrund) – im örtlichen Baummarkt oder Fachhandel (Sanitär) günstig beschafft werden (max. 200 €), das Fundament etc. unter Anleitung selbst – z. B. mit den Schüler/innen – gegraben und die beiden Rohe selbst einbetoniert werden (max. 450 € Materialkosten). Alternativ können die Arbeiten ggf. auch von der Gemeinde (ggf. Schulträger) oder einer Fachfirma durchgeführt werden (bei letzterer Kostenmax. ca. 1.500 €). Die genauen Anleitungen zur Umsetzung werden detailliert aufbereitet zur Verfügung gestellt.
- Möglichkeit zur Absicherung des Geländes gegen Störungen und Beschädigung durch Platzierung in einem unzugänglichen Bereich, Installation eines Zaunes (ca. 4 x 4 m um die die Klimastation herum, in Eigenleistung oder externe Vergabe) o. ä. Ggf. bietet sich eine zusätzliche Versicherung der Klimastation sowie ein Hinweisschild auf die (empfindlichen) Messgeräte an.
- Unterstützung der Schulleitung sowie mindestens zwei konkrete Ansprechpersonen vor Ort (Lehrkräfte, Hausmeister o. ä.), die für die Beaufsichtigung und Wartung der Klimastation eigenverantwortlich zuständig sind und bei Bedarf als Ansprechperson für die Abteilung Geographie – rgeo bei Problemen zur Verfügung stehen.
- Sicherstellung der regelmäßigen Wartung der Klimastation durch die verantwortlichen und eingewiesenen Personen. Diese beschränkt sich im Routinebetrieb auf das Säubern des Niederschlagsmessers (Blätter etc.), je nach Standort und Jahreszeit 3-4 Mal jährlich, einmal jährlich die Kontrolle und ggf. Säuberung der sonstigen Sensoren sowie die regelmäßige„Sichtkontrolle“ (lose Kabel etc.)
Die o. g. Punkte können über die beiliegende Checkliste von Ihnen im Einzelnen durchgegangen und dokumentiert werden. Zur Bewertung der Eignung eines Standorts fügen Sie bitte zusätzlich Fotos des geplanten Geländes bei, damit diese zusammen mit Analysen von Satelliten-/Luftbild- und sonstigen Geodaten der Flächen als Grundlage für eine finale Eignungsprüfung dienen können.